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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Dresden
Beschluss verkündet am 30.10.1999
Aktenzeichen: 10 WF 0115/98
Rechtsgebiete: FGG, VAHRG, ZSEG


Vorschriften:

FGG § 33 Abs. 1
FGG § 53b Abs. 2
VAHRG § 11 Abs. 2
ZSEG § 2 Abs. 1 Satz 1
Leitsätze

1. Die Aufzählung der Auskunftsverpflichteten in den Vorschriften der §§ 11 Abs. 2 VAHRG, 53b Abs. 2 FGG ist lediglich beispielhaft; darüber hinaus trifft alle diejenigen, welche tatsächlich zur Erteilung der benötigten Auskünfte in der Lage und befugt sind, eine entsprechende, durch Zwangsmittel nach § 33 FGG erzwingbare Verpflichtung.

2. Zwangsgeld kann gemäß § 33 Abs. 1 FGG auch gegen eine juristische Person des Zivilrechts verhängt werden.

3. Der nach den §§ 11 Abs. 2 VAHRG, 53b Abs. 2 FGG zur Auskunft Verpflichtete kann nach Auskunftserteilung analog § 2 Abs. 1 Satz 1 ZSEG eine Entschädigung jedenfalls dann verlangen, wenn ihn mit den Prozessparteien keine besonderen Rechtsbeziehungen verbinden.

- §§ 33 Abs. 1 FGG; 11 Abs. 2 VAHRG, 53b Abs. 2 FGG; 2 Abs. 1 Satz 1 ZSEG -


Oberlandesgericht Dresden

Aktenzeichen: 10 WF 0115/98 4 F 64/97 Amtsgericht Stollberg

Beschluß

des 10. Zivilsenats - Familiensenat -

vom 30. Oktober 1998

In der Familiensache

Antragstellerin

Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte

gegen

Antragsgegner

Verfahrensbevollmächtigte: Rechtsanwälte

weiter beteiligt:

Beschwerdeführerin

Bevollmächtigter: Rechtsanwalt

wegen Ehescheidung

hier: Folgesache Versorgungsausgleich/Zwangsgeld

hat der 10. Zivilsenat - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Dresden am 30. Oktober 1998 durch

Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Richter am Oberlandesgericht und Richter am Amtsgericht

beschlossen:

Tenor:

1. Die Beschwerde der Firma F gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Stollberg vom 3. Dezember 1997 wird zurückgewiesen.

2. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf DM 600 festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsgegner war bis Mai 1991 bei der "A ", einer Tochtergesellschaft der F der , als Flugzeugmechaniker tätig. Im Zuge des Kontenklärungsverfahrens ersuchte die LVA Sachsen die Firma F als Rechtsnachfolgerin der A um eine Lohnbescheinigung. Daraufhin meldete sich die F und teilte mit, sie habe die Archivverwaltung übernommen und biete ehemaligen Mitarbeitern der I an, benötigte Bescheinigungen zu erstellen. Hierfür verlange sie jedoch 75,00 DM.

Das Amtsgericht setzte daraufhin mit Beschluß vom 23. Dezember 1997 gegen die F ein Zwangsgeld von 600,00 DM fest: Die F habe Arbeitgeberpflichten übernommen und sei deshalb zur unentgeltlichen Auskunftserteilung verpflichtet.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde; die Beschwerdeführerin macht geltend, sie sei nicht Rechtsnachfolgerin der in die Gesamtvollstreckung gegangenen Firma F . Sie habe lediglich Zugang zu den Personalunterlagen, da sich diese in den Kellerräumen ihres Geschäftssitzes befinden.

Das Amtsgericht half der Beschwerde nicht ab.

II.

Die Beschwerde der Firma F ist gemäß §§ 19, 20 Abs. 1 FGG an sich statthaft und auch im übrigen zulässig, aber unbegründet.

1.

Zwangsgeld kann gemäß § 33 Abs. 1 FGG auch gegen eine juristische Person des Zivilrechts verhängt werden.

Zwar wird in der Literatur einhellig - ohne nähere Begründung - die Auffassung vertreten, soweit die Erfüllung der einer juristischen Person des Zivilrechts obliegenden Verpflichtung erzwungen werden solle, richte sich das Verfahren gegen deren gesetzlichen Vertreter, das wäre vorliegend der Geschäftsführer B (vgl. Schwab, Handbuch des Scheidungsrechts, 2. Aufl., Rdnr. 595; Keidel-Zimmermann, FGG, Teil 1, 13. Aufl., § 33 Rdnr. 16 m.w.H. in Fn 95; Bassenge-Herbst, FGG, 7. Aufl., 1995, § 33 Rdnr. 9; RGR-Kommentar-Wick zum BGB, 12. Aufl., 1995, § 11 VAHRG Rdnr. 9 im Anschluss an frühere Kommentierungen von Schlegelberger, FGG, 7. Aufl., 1956, Band I, § 33 Anm. 3, und Jansen, FGG, 2. Aufl. 1969, § 33, Rz 31). Lediglich die hier nicht einschlägige, weil vor allem verfassungsrechtliche Problematik, ob gegen einen öffentlich-rechtlichen Versorgungsträger ein Zwangsgeld verhängt werden kann, wird in jüngerer Zeit - gegen die herrschende Meinung zunehmend bejahend - in der Rechtsprechung abgehandelt (OLG Frankfurt, JurBüro 1987, 97; KG FamRZ 98, 839). Die herrschende Meinung wird damit begründet, dass sich die Träger hoheitlicher Aufgaben wechselseitig Amtshilfe zu leisten hätten und die Gleichrangigkeit zwischen Behörde und Justiz es verbiete, dem Träger der einen über den Träger der anderen Gewalt eine Befehlserlaubnis einzuräumen.

Für die hier zu entscheidende Frage, ob Beugemaßnahmen gegen juristische Personen des Zivilrechts zulässig sind, sind derartige Erwägungen irrelevant. Eine Begründung für die ablehnende Haltung der Literatur lässt sich auch nicht den Entscheidungen des Kammergerichts (Beschluss vom 29. Juni 1905, Jahrbuch für Entscheidungen des KG, 30 A, A 125) und des Oberlandesgerichts München (Beschluss vom 24. November 1936, JFG Nr. 14, 488 ff.) entnehmen, auf welche sich Keidel-Zimmermann in Fn 95 a.a.O. berufen.

Dagegen ist für die Zwangsvollstreckung nach den Vorschriften der §§ 888 ff. ZPO anerkannt, dass Zwangsgeld in das Vermögen der juristischen Person anzuordnen ist, während die Zwangshaft den gesetzlichen Vertreter oder vertretenden Gesellschafter trifft (Zöller-Stöber, ZPO, 20. Aufl., § 888 Rdnr. 8 und § 890 Rdnr. 6 m.w.H.). Denn von dieser naturgemäßen Unterscheidung abgesehen - eine juristische Person kann man begrifflich nicht inhaftieren -, ist dem Vollstreckungsrecht eine unterschiedliche Behandlung von juristischen und natürlichen Personen, welche Schuldner sind, unbekannt. Dafür, dass dies für den Bereich der Vollstrek-kung nach § 33 Abs. 1 FGG anders zu beurteilen sei, ist ein rechtfertigender Grund nicht ersichtlich.

2.

Das Amtsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 VAHRG, § 53 b Abs. 2 Satz 2 FGG eine Auskunftsverpflichtung trifft.

Allerdings lässt sich aus den eingeholten Handelsregisterauszügen nicht entnehmen, dass die Beschwerdeführerin Rechtsnachfolgerin der Firma F ist. Ausweislich des Handelsregisters hatte die Gesellschafterversammlung diese Firma am 31. Dezember 1990 zunächst aufgelöst, am 19. März 1991 die Auflösung wieder aufgehoben, am 11. Mai 1995 sodann die Änderung der Firma in D beschlossen und schließlich zum 1. Januar 1997 die Gesellschaft endgültig aufgelöst. Die Beschwerdeführerin ist am 13. Mai 1993 ins Handelsregister eingetragen worden; ihr Geschäftsführer B war bis dahin Geschäftsführer der Firma F .

Die Beschwerdeführerin lässt unerwähnt, weshalb ihr - wenn sie nicht die Rechtsnachfolgerin dieser Gesellschaft ist - die rechtliche Verfügungsbefugnis über die Personalunterlagen der erloschenen GmbH zusteht. Dies kann für die Entscheidung indes dahinstehen.

Denn die Beschwerdebegründung, eine Verpflichtung aus § 11 Abs. 2 VAHRG treffe ausschließlich die frühere Arbeitgeberin oder deren Rechtsnachfolgerin, findet im Gesetz keine Stütze.

Dem Familiengericht obliegt es, zur Durchführung des Versorgungsausgleichs von Amts wegen die zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlichen Ermittlungen anzustellen (§ 12 FGG). Diese Verpflichtung des Gerichts soll nach dem Grundgedanken der § 11 Abs. 2 VAHRG, § 53 b Abs. 2 FGG erleichtert werden. Danach sind die dort aufgeführten Stellen, welche über die für die Feststellung von Grund und Höhe des Versorgungsausgleichs erforderlichen Tatsachen Auskunft zu erteilen vermögen, unabhängig davon, ob sie am Verfahren beteiligt sind, zur Auskunftserteilung verpflichtet; auf ein etwaiges Zeugnisverweigerungsrecht (§§ 15 FGG i.V.m. 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO) können sie sich nicht berufen. Die zu erteilenden Auskünfte sind teils Zeugenaussagen, teils Sachverständigengutachten (vgl. BGH, FamRZ 1994, 159; OLG Frankfurt, FamRZ 1991, 579; Rolland, 1. EheRG, 2. Aufl., § 1587 e, Ziffer 5.3.). Die Aufzählung der Auskunftsverpflichteten in den genannten Vorschriften ist unvollständig; die Arbeitgeber der Parteien des Eheprozesses sind lediglich beispielhaft aufgeführt. Die Formulierung des Gesetzes, dass nämlich neben den im Einzelnen genannten auch "sonstige Stellen" zur Auskunftserteilung verpflichtet seien, ist mithin der Auslegung zugänglich: Alle diejenigen, welche tatsächlich zur Erteilung der benötigten Auskünfte in der Lage und befugt sind, trifft auch eine entsprechende, durch Zwangsmittel nach § 33 FGG erzwingbare Verpflichtung.

Hierzu zählt auch die Beschwerdeführerin, welche nach ihrem eigenen Sachvortrag über die tatsächliche Möglichkeit des Zugriffs zu den Personalunterlagen des Antragsgegners verfügt.

3.

Der Beschwerdeführerin ist es verwehrt, die Erteilung der Auskunft von der Zusage des Gerichts, die Kosten der Auskunftserteilung zu erstatten, abhängig zu machen.

Die erwartete Auskunft soll die sonst veranlasste Zeugenaussage des Geschäftsführers ersetzen. Sie kann ihrer Natur nach nicht im aufgezeigten Sinne Rechtsauskunft sein, wie dies etwa die Auskunft eines Rentenversicherungsträgers ist.

Die Frage, ob der nach den § 11 Abs. 2 Satz 2 VAHRG, 53 b Abs. 2 Satz 2 FGG Verpflichtete die Auskunft kostenlos erteilen muss oder er - in analoger Anwendung des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZSEG) - nach Auskunftserteilung eine Entschädigung verlangen kann, ist im Gesetz nicht geregelt. Sie wird in Literatur und Rechtsprechung uneinheitlich beantwortet (verneinend die wohl herrschende Meinung, z. B. OLG Köln, FamRZ 1985, 719 m.w.H., bejahend Rolland, a.a.O., Ziffer 5.4).

Soweit Literatur und Rechtsprechung eine entsprechende Anwendung des ZSEG für unzulässig erachten, wird dies mit einer besonderen Rechtsbeziehung zwischen den Parteien eines Scheidungsverfahrens und den nach § 53 b Abs. 2 Satz 3 FGG Auskunftspflichtigen begründet; diese Beziehung wurzelt im Allgemeinen in dem Arbeitsverhältnis mit dem zur Auskunft verpflichteten Arbeitgeber oder in einem langjährigen Versicherungsverhältnis mit einem Rentenversicherungsträger. Derartige Gesichtspunkte scheiden hier aus, weil zwischen den Prozessparteien und der Beschwerdeführerin solche Rechtsbeziehungen nicht bestehen oder bestanden haben. Der Senat erachtet es daher dem Grunde nach für gerechtfertigt, die Beschwerdeführerin nach Erteilung der geforderten schriftlichen Auskunft analog § 2 Abs. 1 Satz 1 ZSEG bestimmungsgemäß zu entschädigen.

Nach allem ist die Beschwerde mit der Kostenfolge aus § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG zurückzuweisen.

Der Geschäftswert bestimmt sich nach der Höhe des nach Aktenlage angemessenen Zwangsgeldes (§ 119 Abs. 2 KostO. vgl. BayOblG FamRZ 1996, 878).

Ende der Entscheidung

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